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Alles hat seinen Preis - Was ist uns die Bildung wert?

Von Dr. Dietmar Nowottka, Leiter des Kirchröder Instituts:
Zuerst veröffentlicht im Bildungskalender 2. Halbjahr 2000

"... Unser Bildungswesen steht vor neuen Herausforderungen. Die quantitative Erweiterung muß einhergehen mit dem qualitativen Ausbau ... Rascher Strukturwandel macht es nötig, Weiterbildung gleichberechtigt mit Schule und Erstausbildung zu fördern. Deshalb muß die allgemeine, die berufliche, die politische und die kulturelle Weiterbildung als kommunale Pflichtaufgabe zur vierten Säule des Bildungswesens ausgebaut werden. Insbesondere Menschen, die im Erwerbsleben und bei der Ausbildung benachteiligt sind oder deren Berufswissen durch die technische Entwicklung entwertet wird, muß der Staat die Qualifikation für eine neue Berufstätigkeit ermöglichen ... Als Gegengewicht zur betriebsbezogenen Weiterbildung ist ein ausreichendes Angebot an öffentlicher und öffentlich geförderter Weiterbildung notwendig ..." (zitiert aus dem Grundsatzprogramm der SPD zur Bundestagswahl 1998).

Es ist zur Zeit "in", für Bildung zu sein und sich entsprechend zu äußern. Der Bundespräsident tut es, die Politiker aller Parteien tun es, und sogar manche Unternehmer schmücken sich zur Zeit mit ähnlichen Verlautbarungen. Sie haben auch allen Grund dazu. Wir stehen mitten in einem enormen Veränderungsprozeß unserer gesamten Kultur. Dabei erkennen wir, daß wir nicht unbedingt noch schnellere Maschinen oder bessere technische Hilfsmittel brauchen, sondern Menschen, die in der Lage sind, mit den einbrechenden Veränderungsdynamiken umzugehen.

Im beruflichen Bereich entstehen völlig neue Berufsbilder. Ständige Fort- und Weiterbildung wird für viele Berufsfelder zur Norm. "Lebenslanges Lernen, Sozialkompetenz und emotionale Intelligenz" sind nicht nur modische Schlagworte, sondern markieren den Bedarf für Mitarbeiter/-innen und Führungskräfte. "Persönlichkeitsbildung" ist ein hochaktueller Begriff geworden und wird offensiv in der Personalpolitik verwandt. Und auch in unseren Gemeinden werden Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durchaus positiv bewertet, mancherorts auch gefördert. Unsere Bundesgemeinschaft hat neuerdings ein Bildungszentrum. War es noch vor Jahren in unserer Freikirche eher anrüchig, von Bildung zu sprechen, befürchtete man doch den Einfluß weltlich-kritischer Geister, die sich nicht mit dem Geist des Evangeliums und dem missionarischen Auftrag vereinbaren ließen, so kann man heute relativ unbefangen mit dem Begriff umgehen. Es dauert manchmal bei uns ein wenig länger. Eine umfassende Auseinandersetzung über unser Bildungsverständnis oder gar die Entwicklung einer Bildungskonzeption für unsere Bundesgemeinschaft steht allerdings noch aus und wäre eine dringliche Aufgabe. So weit, so gut!

Alles hat seinen Preis. Wer Bildung will, ob in unserem Gemeinwesen, unserer Freikirche oder seiner Gemeinde, muß sich fragen lassen, ob er auch bereit ist, die Kosten dafür zu übernehmen. Auf drei "Kostenstellen" möchte ich aufmerksam machen und diese insbesondere aus Sicht der Gemeinden entfalten, die es wesentlich in der Hand haben, ob und wie Gemeindemitglieder durch Bildungsmaßnahmen inner- und außerhalb der Gemeinde gefördert werden.

  1. Die fiskalische Dimension der Bildung: Bildung kostet Geld, und das wird oft unterschätzt. Solange der Staat diesen Bereich verantwortet und gefördert hat, konnte man Bildung in Deutschland fast umsonst bekommen. Die Erwachsenenbildung hatte es dabei nicht ganz so einfach, wurde aber vielerorts immer noch ausreichend gefördert. Deshalb ist es auch den wenigsten klar, was eine Bildungsveranstaltung, sei es eine Schulstunde oder ein Wochenendseminar, an realen Kosten verursacht. Der Staat zieht sich z. Zt. jedoch trotz aller (zitierten) Grundsatzprogramme systematisch aus seiner fiskalischen Verantwortung zurück. Es ist abzusehen, daß sich bestimmte Bevölkerungsschichten manche Bildungsangebote nicht mehr leisten können, weil Bildungsträger mit zahlungskräftigen Kunden arbeiten müssen, um selbst zu überleben. Die Marktorientierung und die Einführung des Produktes "Bildung" in die soziale Marktwirtschaft ist in vollem Gange. Dies hat negative, aber auch positive Seiten. Außerordentlich kritisch ist sicherlich der Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung zu bewerten, gerade den Bürgerinnen und Bürgern Bildung unmöglich zu machen, die es besonders nötig hätten. Die sozialpolitischen Folgen zeichnen sich bereits ab und werden gravierend sein. Andererseits hat der dadurch einsetzende marktorientierte Wettbewerb unter Bildungsanbietern auch stimulierende Wirkungen. Fragen nach Qualität, Bewertung und Bildungszielen wurden in einer relativ "satten" Bildungslandschaft viel zu wenig gestellt. Entsprechend dürftig sahen manche "Bildungsprodukte" aus.
    Bildung wird teurer werden. Man mag dies bedauern, aber es entspricht der Realität. Wir können nicht mehr erwarten, daß es in Zukunft Bildung umsonst gibt. Und das, was es umsonst gibt, hat nicht selten eine ebensolche Qualität. Qualifizierte Fachkräfte, die mittlerweile auch im außerschulischen Bereich als Freiberufler von der Bildung leben (müssen), haben ihren Preis, und auch daran ist nichts auszusetzen. Schließlich verdienen alle anderen auch ihren Lohn in ihren eigenen Arbeitsfeldern.
    Wie reagieren wir als Gemeinden darauf? Wem ermöglichen wir Bildung? Unterstützen wir unsere Gemeindemitglieder trotzdem und ermöglichen so ihre Lern- und Entfaltungsmöglichkeiten? Wir sollten unbefangener darüber nachdenken, ob wir in unseren Gemeinden im Bereich der Personalkosten eine Kostenstelle für qualifizierte Bildungsmaßnahmen einrichten. Sicherlich wird das zunächst Unverständnis hervorrufen, aber auch das ist eine Sache des "Stellen-Wertes".
  2. Die zeitliche Dimension der Bildung: Wer Bildungsangebote nutzen will, braucht dazu Zeit. Er muß einen Teil seiner Freizeit und Arbeitszeit zur Verfügung stellen. Ein Arbeitgeber verzichtet eine Zeitlang bewußt auf die Arbeitskraft seiner Mitarbeiterin, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich zu qualifizieren und besser mit der großen Belastung an ihrem Arbeitsplatz fertig zu werden. Am Ende profitieren beide von dieser Maßnahme. Übertragen wir das in eine Gemeindesituation mit Ehrenamtlichen. In unseren Sonntagsschulen sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls einer hohen Belastung ausgesetzt. Sonntag für Sonntag mit oftmals zu großen und (lauten) Kindergruppen und i. d. R. zu wenig Mitarbeitern zu arbeiten ist, nicht nur didaktisch, sondern auch nervlich eine große Herausforderung. In der Woche machen dies gutbezahlte Fachkräfte. Der dabei entstehende Frust der Mitarbeiter/-innen wird vielleicht eine Zeitlang über den "Dienstcharakter ihrer Berufung" kompensiert, aber irgendwann trägt auch dieses leidensbereite Motiv nicht mehr. Übrig bleiben dann die ganz Treuen, für die die übrige Gemeinde aber sicherlich im ruhigen Gottesdienst ein Gebet spricht.
    Gezielte Bildungsangebote innerhalb wie auch außerhalb der Gemeinde können helfen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein qualifizierendes Rüstzeug für ihre Arbeit zu geben. Die Wertschätzung, die sie dabei erfahren, ist ein positiver und durchaus motivierender Nebeneffekt. Solche Fortbildungsmaßnahmen im Laufe eines Jahres mit den Mitarbeitern anhand deren Bedürfnisse zu planen und diese nicht nur der zufälligen Initiative einzelner zu überlassen, bedeutet nicht nur Geld im Budget, sondern auch Zeit im Jahresgemeindekalender zu lassen und den Mitarbeitern Freiräume anzubieten.
  3. Die individuelle Dimension der Bildung: So ganz scheint diese Dimension nicht in die Reihe der "Kostenstellen" hineinzupassen. Dennoch möchte ich gerade für eine Gemeinde auch auf diese Dimension der Bildung aufmerksam machen, obwohl hierzu sicherlich die weitere Auseinandersetzung über ein gemeinsames Bildungsverständnis nötig wäre. Bildungsmaßnahmen, die den Anspruch haben, mehr als Veranstaltungen für Wissensweitergabe zu sein, werden immer das Individuum zu einer ganzheitlichen und kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte heranführen. Nicht nur die Qualifizierung, sondern die Entwicklung der Persönlichkeit sind letztlich der Fokus eines jeden Bildungsprozesses.
    Wer für Bildungsmaßnahmen in seiner Gemeinde wirbt, darf damit rechnen, daß Gemeindemitglieder u. U. selbstbewußter, selbstständiger und auch mit mehr Kompetenz ausgestattet in den Gemeindealltag zurückkommen. Die qualifizierten und selbstbewußten Mitarbeiter sind zunächst einmal auch die anstrengenderen und fordernderen Mitarbeiter. Der Blick über den Gartenzaun hat neue Horizonte eröffnet. Neben der Dankbarkeit über das Eigene erwächst auch die Sehnsucht nach Veränderung. Manch einer schießt dabei über das Ziel. Individuelle Erfahrungen wollen wieder integriert werden, damit sie auch der Gemeinschaft vor Ort dienen. Wer Bildung will, fördert die Mündigkeit und im besten biblischen Sinne die Fähigkeit zur Selbstverwirklichung des einzelnen, die dann auch wieder der Gemeinschaft zugute kommt. Eine Gemeinde sollte sich fragen, ob sie diesen Entwicklungsprozeß des Individuums fördern will und ob sie bereit ist, die gemeinsame Auseinandersetzung und Integrationsarbeit nach einer Bildungsmaßnahme zu leisten. Nicht wenige Gemeindemitglieder erleben nach Bildungsmaßnahmen, daß sie mit ihren neuen Entdeckungen, Erfahrungen und Fragestellungen in ihrer Gemeinde nicht gefragt sind, weil diese als bedrohlich empfunden werden und keine gemeinsame Verarbeitung möglich war.

Den Sonntagsreden oder Grundsatzprogrammen in der Politik folgen nur selten angemessene Taten. Das kennen wir. Wie geht es uns in der Gemeinde mit den Themen, denen wir nach außen hin eine hohe Bedeutung beimessen? Haben sie wirklich den "Stellen-Wert", den sie in unseren Sonntagsreden bekommen?

Die Frage nach dem wirklichen Stellenwert eines Themas läßt sich sehr einfach daran messen, wie wir ganz praktisch mit ihm umgehen. Die Indikatoren "Geld und Zeit" sind hier nur stellvertretend genannt. Befragen Sie doch einmal Ihren Gemeindehaushalt oder Ihren Gemeindejahresplan daraufhin, wieviel Prozent für Bildungsmaßnahmen aller Art aufgewandt werden und Sie haben einen zuverlässigen Indikator für den Stellenwert von Bildung in Ihrer Gemeinde.

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Dr. Gyburg Beschnidt; Missionarische Gemeindedienste im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden
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